Einzelkämpfer Daniel Schwerd (MdL NRW): Die Ex-Piraten bieten der LINKEN eine wichtige Chance.

 

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Daniel Schwerd (*1966) ist nach seinem Übertritt von den Piraten zur LINKEN im Frühjahr diesen Jahres der einzige Landtagsabgeordnete der Partei in NRW, eine Art „1-Mann-Betrieb“.

 

Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen mit den Piraten und seiner aktuellen Situation als Einzelkämpfer gesprochen.

 

Du bist 2012 für die Piraten in den Landtag NRW eingezogen. Damals holten die Piraten 7,8% und zogen mit 20 Abgeordneten ein. Aus Berlin hörte man häufig von Personalquerelen, Austritten und destruktiver Arbeitsweise nach innen. Wie lautet Dein Resümee nach rund 4 Jahren als Piraten-Abgeordneter?

Daniel: Leider war das bei Piraten durchaus üblich. Inhaltliche Auseinandersetzungen wurden oft auf persönlicher Ebene geführt, der Stil war internettypisch rau. Die Piraten haben sich ein durchaus linkes Programm gegeben, mit einem starken Fokus auf Teilhabe und Partizipation – das dann aber nicht „gelebt“. Es gab laufend Abgrenzungsprobleme, zum Beispiel nach Rechts, Probleme mit Sexismus bzw. kein Verständnis für Feminismus. Für antifaschistische Haltung musste man sich ständig rechtfertigen. Es fehlte ein gemeinsames Wertegerüst, es fehlte an dem Bewusstsein, dass zur Netzpolitik auch eine passende Gesellschaftspolitik gehört. Programmatisch ist die Piratenpartei schon etwa 2012 zum Stillstand gekommen, und die Chancen zum Demokratie-Update wurden vergeben.

Du bist im Frühjahr 2016 dann zur Partei DIE LINKE gewechselt. Wie kam es dazu? Wie wurdest Du von Deiner neuen Partei als prominenter Seiteneinsteiger aufgenommen?

Daniel: DIE LINKE hat ein klar antifaschistisches, antirassistisches Profil. Sie steht für gesellschaftliche Solidarität und Teilhabe – genau so, wie ich mir auch das Internet vorstelle. Ich fand, dass meine Vorstellung eines solidarischen und freien Internets sehr gut mit dem Gesellschaftsbild der LINKEN zusammenpasst. Und umgekehrt: DIE LINKE hat in der Netzpolitik durchaus noch Leerstellen, in die ein solches Internet sehr gut hineinpasst. Das ergänzt sich einfach wechselseitig sehr gut. Zudem wollte ich die Möglichkeiten, als Landtagsabgeordneter sinnvoll und wirksam Politik zu machen, nicht ungenutzt lassen.

Das ist ja auch keine einsame Entscheidung – ich bin Teil einer größeren Gruppe aus 35 Ex-Piraten, die der LINKEN ihre Unterstützung erklärt hat.

Der Empfang war durchaus unterschiedlich – an manchen Stellen bin ich sehr herzlich und freundlich empfangen worden und habe mich sehr wohl gefühlt, an anderen Stellen fremdelt man ein bisschen, die Kulturen sind dann doch manchmal etwas unterschiedlich, und der „Stallgeruch“ fehlt mir natürlich. Da muss man sich vielleicht noch etwas aneinander gewöhnen.

Ich halte es aber für unverzichtbar für DIE LINKE, sich neuen Themen und neuen Milieus gegenüber zu öffnen, gerade auch im Westen. Die Ex-Piraten genauso wie die Ex-Piraten-Wähler bieten der LINKEN wichtige Chancen.

Als einziger Abgeordneter für DIE LINKE bist Du natürlich auch eine Art „1-Mann-Betrieb“. Wie sieht Deine Arbeit aus? Kannst Du als Einzelner überhaupt irgendwas bewegen oder ist Dein Mandat nun eher symbolträchtig?

Daniel: Im Grunde hat sich gar nicht so viel verändert: Als Abgeordneter in der Opposition kann man ohnehin nicht davon ausgehen, mit den Standard-Instrumenten des Landtages unmittelbaren Einfluss auszuüben: Anträge der Opposition werden grundsätzlich immer abgelehnt. Oppositionsarbeit ist das Bohren dicker Bretter, die Beobachtung der Regierung, das Setzen von Themen und diese dann immer wieder neu auf die Tagesordnung zu hieven, bis sich auch die Regierungsfraktionen damit befassen müssen. Das kann ich genauso gut – und vielleicht sogar besser – tun als vorher. Bei den Piraten gab es ohnehin keinen großen Zusammenhang in der Fraktion, jeder hat da ohnehin mehr oder weniger sein eigenes Ding gemacht, da ist der Unterschied zu vorher gar nicht groß.

Fast alle parlamentarischen Instrumente wie Anträge oder Anfragen stehen mir auch jetzt noch zur Verfügung, und ich nutze sie intensiv. Also: Nein, es ist ganz und gar nicht symbolisch. Ich setze immer noch Themen und erhalte dafür überraschend viel Resonanz, wie auch der Pressespiegel zeigt.

Wie ist das mit der Redezeit? Hast Du überhaupt die Chance Dich im Plenum zu artikulieren?

Daniel: Ich erhalte Redezeit, allerdings nur sehr begrenzt: Zwei mal an einem Plenartag für drei Minuten, bzw. für eigene Anträge fünf Minuten. Das ist nicht viel, da muss man schon sehr auf den Punkt kommen – und das ist auch eine gute Übung, denn im Plenum wird ohnehin viel Drumherum geredet. Man kann auch in drei Minuten die entscheidenden Punkte eines Themas nennen. Insgesamt sind Plenarreden ohnehin nicht das wichtigste politische Instrument: Wenn im Plenum geredet wird, sind die politischen Entscheidungen meist längst gefallen.

Mitte Dezember findet die Vertreter_Innenversammlung zur Aufstellung der Landesliste für die kommende Landtagswahl statt. Wirst Du erneut, diesmal für DIE LINKE, kandidieren?

Falls nein, was wirst Du nach Deiner Zeit im Parlament machen?

Daniel: Das, was ich im Parlament tue, tue ich sehr gerne. Ich bin transparent, ich blogge und dokumentiere meine Arbeit regelmäßig. Man kann sehr genau nachvollziehen, was ich gemacht habe, und welche Qualität sowie Quantität meine Arbeit hat. Ich glaube, ich habe das ganz gut gemacht, ich brauche mich da nicht zu verstecken. Sicher merkt man dabei auch, dass mir meine Arbeit Spaß macht – ich würde sie gerne auch über den Mai 2017 hinaus tun. Daher möchte ich der Aufstellungsversammlung das Angebot meiner weiteren Arbeit machen. Entscheiden tut man natürlich da.

Alternativ kann ich zurück in meine Selbstständigkeit gehen. Zwar ist diese nach fünf Jahren Parlament weitgehend eingeschlafen, und es wird sicher Zeit dauern, bis ich da wieder Fuß gefasst habe, aber ich bin ja glücklicherweise mit Informatik in einer Branche mit viel Nachfrage und Möglichkeiten tätig.

Du hast vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Politik aus Notwehr“ geschrieben. Welche Botschaft versteckt sich hinter diesem plakativen Titel?

Daniel: Ich bin 2009 durch Ursula von der Leyens Zensurbemühungen im Internet politisiert worden. Dazu kam eine große Unzufriedenheit mit demokratischen Defiziten der parlamentarischen Demokratie und Verdrossenheit mit dem allgegenwärtigen Lobbyismus. Aber man kann nicht nur jammern, irgendwann muss man auch mal was tun, denn sonst ändert sich nichts. Und so habe ich eben „Politik aus Notwehr“ gemacht, fand mich plötzlich als Politiker wieder. Bei Politik kommt es meiner Meinung darauf an, eine positive Vision der Gesellschaft zu haben, in der man in Zukunft leben will – denn sonst ist es einfach nur Verwaltung. Und wer es nicht versucht, hat schon verloren.

Und zuletzt – gängige Tradition bei uns – Vervollständige bitte den Satz: „Wenn ich Bundeskanzler wäre, würde ich […].“

Daniel: … mir dringend Leute holen, die sich damit auskennen.

Und mit denen dann die vielen Themen anpacken, die so wichtig sind: Steuerreform, Energiewende, Arbeitszeitverkürzung, sanktionsfreie Grundsicherung, solidarische Krankenversicherung, Schulen und Bildungswesen renovieren, Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge in Ordnung und in Bürgerhand bringen, Frieden, Bekämpfung von Armut und so vieles mehr. Ein einzelner kann das nicht schaffen.

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