Halina Wawzyniak im Link-s.Gelenkt. Interview

KURZINFO ZU HALINA WAWZYNIAK:

Bundestagsabgeordnete seit 2009; bis 2012 stellvertretende Vorsitzende der Partei „DIE LINKE“

Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz; netzpolitische und rechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion

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 halina wawzyniak

Nach der Bundestagswahl gab es eine Mehrheit für die SPD, DIE LINKE und die Grünen. Schon lange arbeitest du mit anderen Abgeordneten an Rot-Rot-Grün. Hättest du es schon jetzt für möglich gehalten, bei einer so knappen Mehrheit und glaubst du, dies würde (mit Sigmar Gabriel und Katrin Göring-Eckardt) ohne Gesichtsverlust der Linken klappen?

Halina Wawzyniak: Zwischen der SPD, den Grünen und der LINKEn gibt es in einigen zentralen Bereichen Schnittmengen, in anderen, wie etwa in der Frage von Krieg und Frieden nicht. Ich bin nach wie vor nicht gewillt, militärische Einsätze in anderen Ländern zu akzeptieren. Die gegenwärtige Debatte über ein Mehr an Verantwortung Deutschlands in der Welt ist leider nichts weiter als der Ruf nach einem stärkeren militärischen Engagement. Es muss aber stattdessen über bessere zivile Präventions- und Konfliktlösungen nachgedacht und es müssen Institutionen wie die UNO gestärkt werden. Will man eine linke gesellschaftliche Mehrheit organisieren muss man fähig sein, Kompromisse einzugehen. Wir haben uns eine andere Bundesregierung gewünscht, das ist klar. Und solange sich die SPD zum willfährigen Bündnispartner einer undemokratischen und unsozialen Politik degradieren lässt, sehe ich zeitnah wenig Hoffnungen auf einen wirklichen Politikwechsel. Zudem darf man darüber auch nicht die Grünen vergessen, die ihr Agieren in der Ära Schröder nach wie vor nicht aufgearbeitet haben und darüber hinaus politisch im gegenwärtigen Bundestag noch nicht Tritt gefasst haben.


Zumindest die SPD hat es in die Regierung geschafft und stellt auch den Justizminister mit Heiko Maas. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist oft positiv für ihr Engagement gegen die Vorratsdatenspeicherung und für Datenschutz aufgefallen. Wirst du Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vermissen?

Halina Wawzyniak: Vermissen wäre zu viel des Guten. Ich finde, dass sie in manchen Bereichen eine gute Figur gemacht hat. Das Thema Vorratsdatenspeicherung gehört dazu, gerade auch vor dem Hintergrund, dass andere Ministerien bei diesem Thema einen immensen Druck aufgemacht haben. Gleichwohl stelle ich mir unter einer guten Justiz- und Rechtspolitik etwas anderes vor. Ich bin gespannt, wie Heiko Maas das Amt ausfüllen wird. Bis dato ist es so, dass er nicht gerade durch eine Vielzahl an schlauen eigenen Vorschlägen aufgefallen ist.

Du bist Netzpolitische Sprecherin der Linken und dein Schwerpunkt liegt beim Internet und im Datenschutz. Bist du daher traurig, dass es weder die FDP noch die Piraten in den Bundestag geschafft haben?

Halina Wawzyniak: Ich bin zuerst Mitglied der Linkspartei und habe mich daher über unser Bundestagswahlergebnis gefreut. Richtig ist jedoch, dass die FDP-Fraktion der letzten Legislaturperiode zumindest im Bereich der Bürgerrechte und bei netzpolitischen Themen keine so schlechte Rolle gespielt hat und deren miserables Bundestagswahlergebnis sicherlich durch andere Faktoren, etwa im sozialen Bereich, bedingt war. Die Piratenpartei als Ein-Punkt-Partei finde ich überbewertet und politisch zu vernachlässigen. Wo sie, wie etwa bei uns in Berlin, den Einzug in ein Landesparlament geschafft hat, fällt sie vornehmlich durch Skandale und nicht durch Sacharbeit oder netzpolitische Expertise auf. Für uns gilt daher, noch deutlicher unsere Forderungen, etwa nach einer Modernisierung des Urheberrechts, einem Internet für Alle und im Bereich des Datenschutzes in die Debatte zu bringen.


Obwohl Edward Snowden uns offenbarte, wie gläsern wir schon sind, muss er nun in Russland bleiben. Bist du dafür, dass er Asyl in Deutschland bekommt, oder siehst du aufgrund der starken Bindung zur USA auch Gefahren?

Halina Wawzyniak: Ja, ich bin sehr dafür, dass Edward Snowden Asyl in Deutschland bekommt. Die Überwachung seitens der USA hatte und hat nach wie vor offensichtlich ein Ausmaß, das man sich in diesem Umfang nicht vorstellen konnte. Insofern gebührt Edward Snowden großer Dank, dass er dies durch persönlichen Mut und unter persönlichen Gefahren öffentlich machte. Die Morddrohungen von amerikanischen Regierungsangestellten und Geheimdienstmitarbeitern geben beredtes Zeugnis darüber, wie sehr die Geheimdienste getroffen sind. Ich erwarte nun von der Bundesregierung, dass sie sich mit allem Nachdruck für die Aufklärung der staatlichen Überwachung einsetzt und aus den Ergebnissen die richtigen Konsequenzen zieht. Geheimdienste gehören nach unserem Dafürhalten abgeschafft.. Eines ärgert mich zudem sehr: Reaktionen von deutscher Seite auf die Enthüllungen gab es erst als klar wurde, dass auch hochrangige Regierungsvertreter und die deutsche Wirtschaft von den Spähmaßnahmen betroffen waren. Ich sage, jede und jeder hat das Recht, gegen staatliche Überwachung geschützt zu werden, unabhängig von materiellem oder gesellschaftlichem Status.


Du warst damals eine Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft junge Genossen. In der Linkspartei gibt es nur einen Abgeordneten, der unter 30 Jahre alt ist. Sowohl die CSU, als auch die Grünen haben (trotz einer kleineren Fraktion) mehr junge Abgeordnete. Von allen großen Jugendorganisationen, so auch der Linksjugend, wird kritisiert, dass ihre Politiker auf unrealisierbare Listenplätze kommen.

Halina Wawzyniak: Ich bin der festen Überzeugung, dass gute Sachpolitik in oder außerhalb von Parlamenten keine Frage des Alters, des Geschlechts oder der jeweiligen Herkunft ist. Jedoch gehört für mich dazu, sich auch in so genannte harte Politikfelder einzuarbeiten, sich der inhaltlichen Debatte zu stellen, zu versuchen, argumentativ und nicht durch Kürzel zu überzeugen, ohne dabei politische Erbhöfe zu akzeptieren. Irgendwann stellt sich der Respekt zwangsläufig ein. Als ich begann das Feld der Netzpolitik zu bearbeiten, wusste ich gerade einmal, wie mein Rechner an- oder auszuschalten war. Abraten würde ich jedoch davon, sich thematisch auf die typischen Politikfelder junger Leute – oder die man gemeinhin dafür hält – schieben zu lassen. Wo steht denn geschrieben, dass junge Leute nur Jugend- oder Hochschulpolitik machen dürfen? Ich glaube, dass auch andere Politikbereiche sehr von anderen Erfahrungshorizonten und Blickwinkeln profitieren würden.


Ein weiteres Kernthema von dir ist die direkte Demokratie. Von dem Wahlprogramm-Entwurf der Linken wird die EU als „weithin undemokratisch[e Macht]“ bezeichnet. Siehst du dies auch so und wie sieht deine Vision von Europa aus?

Halina Wawzyniak: Es wäre aus meiner Sicht falsch, für das Versagen nationaler Politik immerzu die EU verantwortlich zu machen. Ich sage auch deutlich, dass es in seltenen Fällen auch in meiner Partei den Hang dazu gibt, die EU zu dämonisieren und sich auf das vermeintlich heilbringende Nationale zurückzuziehen. Den rheinischen Kapitalismus der 1970er Jahre wird es jedoch nicht mehr geben und das Gebilde EU mit all seinen Ausformungen wird Bestand haben. Nun verstehe ich durchaus die Kritik an so manchem europäischen Regelungs- und Verordnungsfetisch, doch verstehe ich meine Partei immer noch als eine internationalistische und solidarische Partei. DIE EU birgt viele Chancen und wir sind dazu aufgerufen, sie demokratischer, sozialer, gerechter, friedlicher und auch vorbildlicher zu gestalten, als dies gerade der Fall ist. Dazu zähle ich z.B. die Abschaffung des ungerechten europäischen Flüchtlingsregimes oder die lange überfällige Einführung von verbindlichen Sozialstandards.


Dein Wahlkreis wird seit über einem Jahrzehnt von Hans-Christian Ströbele beherrscht. Er gilt seit jeher als Linker bei den Grünen und heute mehr den je. Viele seiner Themen sind identisch mit denen der Linkspartei. Siehst du in ihm einen würdigen/positiven Direktkandidaten für „Xhain“?

Halina Wawzyniak: Hans-Christian Ströbele hat unbestritten seine Verdienste für die deutsche Linke, aber auch für unseren Wahlkreis Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost. Leider fallen mir aus den letzten Jahren aber auch viele negative Beispiele ein, etwa sein Abstimmungsverhalten bei den Hartz-Reformen der Schröder-Ära oder als es um die Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten ging. Dort stimmten die eigene Selbstinszenierung als linkes Gewissen der Grünen und praktische Politik nicht überein. Dies hat viele Menschen im Wahlkreis enttäuscht. Gleichzeitig freue ich mich auf die fachpolitische Debatte und den Streit um die besseren Konzepte im Rechtsausschuss des Bundestages, in dem wir beide Mitglied sind. Ich denke, dass die Wählerinnen und Wähler sich vermehrt mit den Inhalten der Parteien auseinandersetzen. Dies kann für DIE LINKE nur gut sein.


Wärst du lieber mit Alexander Dobrindt oder Martin Lindner auf einer einsamen Insel?

Halina Wawzyniak: Ohjee. Zeit mit beiden wäre nicht vergnügungssteuerpflichtig. Ich würde lieber allein auf eine Insel gehen und Alexander Dobrindt und Martin Lindner die Nachbarinsel überlassen.


Und zu guter Letzt: Was würdest du tun, wenn du Bundeskanzlerin wärst?

Halina Wawzyniak: Sofort ein Beratungsgremium aus der Zivilgesellschaft installieren.

 

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Die Fragen stellte: Marvin H.

Veröffentlicht am 15.02.2014

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