Was ist: Wertkritik.

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Kurzdefinition: Wertkritik ist die Kritik an von Kapital und Bürgertum geschaffene Werte und des dahinter liegenden Systems.

Möglicherweise haben der_die ein oder andere schon von der Wertkritik gehört, aber nun erstmal zurück zum Anfang: historisch gesehen kommt die Wertkritik aus den späten 80ern und frühen 90er und wurde dann weiter entwickelt bis zur heutigen Form, wobei das Grundgerüst immer noch das selbe ist, auch wenn Schlussfolgerungen sich ändern können oder Teile hinzugefügt wurden.

Die Kritik selbst war damals auch ein Versuch sich der personifizierenden Kritik am Kapital entgegenzustellen. Während also bis in die 80er Jahre hinein marxistische Kritik in der Praxis so aussah Namen zu nennen und sich auf bestimmte Personen und Konzerne, die exemplarisch für den Kapitalismus sein sollen, zu konzentrieren und dabei – im Bestfall – noch eine allgemeine Kritik folgen zu lassen, wurde mit den Diskussionen und Brüchen in der Deutschen Linke zwischen 1990 und 1994 der alten Kritik eine neue entgegengesetzt und populär.

Es ist auch kein Geheimnis, dass diese Theorie in engen Zusammenhang mit den sogenannten Antideutschen steht – sog. da durch die Benutzung des Begriffs Antideutsch als Beleidigung, auf jeden Fall aber als Fremdzuschreibung, nicht klar gesagt werden kann, ob die Personen einfach keine Lust mehr auf Stalinismus, solidarisch mit Israel oder Anhänger_in der kritischen Theorie der Frankfurter Schule (Adorno) ist. Aus eben genanntem Grund versteht es sich von selbst, dass es nicht einheitlich in der antideutschen Szene akzeptiert ist und es nicht deckungsgleich mit antideutsch ist, also Wertkritik sich als Strömung oder Ausrichtung verselbstständigt hat.

Das Besondere an der Wertkritik ist, dasssie versucht eine möglichst systemische Kritik zu äußern, also nicht durch Ausbeuter und Konzerne vermittelte Kritik, sondern jene Form, die das System in Gänze kritisiert.

Darin steckt natürlich auch ein Denken von „Kein richtiges Leben im Falschen“ (Adorno/Marx), welche ja davon ausgehen, dass es eben nichts Richtiges und Gutes in der bürgerlichen Welt gibt und sie dahingehend positiv überwunden (Kommunismus) werden muss um ein richtiges Leben überhaupt zu ermöglichen. Daher setzt die Wertkritik auch nicht beim Ausbeutenden an, sondern beim Wert und der Arbeit.

Unsere Gesellschaft baut auf der Idee der warentauschenden Subjekte auf. Dies ist sozusagen der große Fehler des Kapitalismus, da er in seiner Grundsätzlichkeit darauf aufbaut, dass Menschen Privatbesitz haben müssen (Geld, Gegenstände, Produktionsmittel) um sich am Tauschen von Waren beteiligen zu können.

Da die meisten aber keine Händler_innen oder Ausbeutende sind, müssen sie ja trotzdem bezahlen (hier synonym zu tauschen – da Geld allgemeines Tauschmittel), das dafür nötige Geld bekommt man entsprechend durch Lohnarbeit. Also ist schon in den allgemeinsten und minimalsten Bedingungen für das Entstehen eines kapitalistischen Systems, das die Menschen, unabhängig ihres Standes, ihres Vermögens, ihres Geschlechts, etc. der Wirtschaft zu dienen haben, entweder direkt durch Ausgebeutete und Ausbeutende oder indirekt z.B. wenn ein_e Partner_in zu Hause bleibt und sich darum kümmert, dass gekocht, gewaschen, etc. wird und der_die arbeitende Partner_in sich darum nicht mehr kümmern muss und die Arbeitskraft wieder voll in die eigene Ausbeutung(Arbeiten) investieren kann.

Was aber ist dieser Wert?Der Wert ist eine abstrakte Größe die sich nicht allein auf Waren bezieht. Damit wird gemeint, dass die kapitalistische Gesellschaft Werte produziert, entweder durch Waren oder durch Moral, Sitte oder sonst etwas, da sie völlig entfremdet sind, brauchen sie diese Werte, bzw. imaginieren sich diese zu brauchen. Der Haken daran ist nur der, dass diese Werte mehr oder minder Lügen sind. Sie basieren auf mehr oder minder willkürlichen Gründen und haben nur durch die Zwänge die dieses Verwertungssystem aufbaut/aufrecht erhält um sich selbst zu bewahren (z.B. antikommunistische Ideologie und Waffengewalt gegen kommunistisches Denken und Handeln), die Lüge besteht also darin, dass die Werte nur oberflächlich ihre Gültigkeit bewahren, sobald man hinter die Fassade schöner Worte und auf die Verhältnisse blickt zerbricht der Schein und die eigentliche Irrationalität wird klar, wie z.B. eine Moral die darauf aufbaut, dass der Fortschritt es schon lösen wird, aber bereits jetzt alle Menschen ernährt werden könnten und niemand hungern müsste, wenn wir anders wirtschaften würden.

Nun hat dieser Schrecken des Systems einen Namen: Arbeit(Reproduktions- und Lohnarbeit).

Die Wertkritik verurteilt auch die alten marxistisch-leninistischen Theorien gerade dahingehend, dass sie die Arbeit heiligen. Dass es ob nun im sozialistischen Kibbuzim in den 50ern in Israel, der Kolchose im Ostblock oder dem Acker in Maos China, immer einen Fetisch zur Arbeit gab ist nicht bestreitbar, die Wertkritik setzt also hier an und zieht daraus den Schluss, dass die Arbeit selbst ein Problem darstellt. Sicherlich nicht die Arbeit als solches, aber der Zwang und Drang zur Arbeit.

Denn, so die Wertkritik, gibt es eigentlich gar nicht genug sinnvolle Arbeit für alle Menschen auf der Welt – zumindest reicht es nicht für die 40 Stunden Woche. Da der Kapitalismus aber ja – wie gezeigt – nicht auf Menschen, sondern auf Wachstum achtet, wird eben immer mehr teils sehr sinnlose Arbeit (siehe 1-Euro-Jobber) eingesetzt, denn mehr Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt sein müssen bedeutet zum einen, dass die Löhne gedrückt werden können, da die Auswahl riesig ist, die Menschen mehr arbeiten müssen, um das selbe Gehalt wie vor 20 oder 30 Jahren zu bekommen und daher auch weniger Zeit haben etwas anderes zu tun außer Essen, Arbeit, Schlaf.

Ein Teufelskreislauf. Hier spielt die Entfremdung wieder hinein. Durch die Verdinglichung der Welt, also die für eine Warengesellschaft übliche Art, alles zu bewerten und zu verdinglichen ob nun Dienstleistung, Aktie oder Steine und ein Arbeitsprozess der meist nur einen indirekten Bezug zum Produkt hat oder nur ein kleiner Handgriff am Fließband ist, gibt es keinen Bezug mehr zu diesen eigentlich selbst geschaffenen Waren, die Menschen entfremden sich von der Welt und es gelingt ihnen nicht mehr, hinter die gesellschaftlichen Widersprüche zu blicken und nachzuvollziehen warum bspw. Vollbeschäftigung nicht halb so toll ist wie 20-Stunden-Woche; Warum ein BGE besser ist als Hartz4, Warum faul sein schlecht sein soll, warum „hässlich“ nicht schlechter sein muss.

So ist es kaum verwunderlich, dass die Gruppe Krisis/Exit welche als Urheber der Wertkritik gelten können, zum Abschluss ihres Pamphletes schreibt: Proletarier aller Länder, macht Schluss“.

Dass diese Theorie nun die absolute Wahrheit mit dem Masterplan ist, ist natürlich zu schön um wahr zu sein. Der eklatante Mangel der Wertkritik liegt daran, dass sie kaum bis keinen Fokus auf reale Machtverhältnisse und Zwänge legen und eine zu idealisierte Sicht auf den Wert selbst haben, also unfähig sind, eine materialistische Analyse zu betreiben, sie analysieren nicht an Hand der realen Verhältnisse und Gegebenheiten, sondern nur im allgemeinen auf Basis des Wertes, was ihre Ergebnisse teilweise verzerrt aber eben auch dazu führt, dass Punkte wie Gewaltverhältnisse, etc. nur am Rande gestreift werden, wenn überhaupt. Somit bildet die Wertkritik einen interessanten und einfachen Einstieg in moderne marxistische Theorien, bleibt aber hinter ihren Möglichkeiten zurück und sollte eher als Ergänzung benutzt werden oder selbst ergänzt werden.

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von Alex Ker

veröffentlicht am: 12.06.2015

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