Mr.Wissen2Go: „Gregor Gysi schafft es, junge Leute für Politik zu animieren.“

 

Mirko - YouTuber und Journalist. Fotograf: Moritz Leic
Mirko – YouTuber und Journalist.
Fotograf: Moritz Leic

 

Daniel: Wer bist Du und was machst Du?

Mirko: Mein Name ist Mirko, ich bin 29 Jahre alt, habe Geschichte und Kulturwissenschaften studiert und arbeite als Journalist für ARD und ZDF. Nebenbei habe ich noch einen Kanal auf YouTube – Mr.Wissen2go –, auf dem ich versuche Jugendlichen politische und gesellschaftliche Themen näher zu bringen.

Du betreibst also politische Bildungsarbeit?

Könnte man so sagen. Ich betreibe keine klassische politische Bildungsarbeit, so dass es eine Agenda gibt, nach der ich mich richte, aber es ist mein Ziel, dass sich junge Leute für politische Themen interessieren und sich beteiligen. Für Logo betreibe ich es für Kinder und auf meinem YouTube-Kanal für Jugendliche.

Siehst Du Schwierigkeiten darin, mit jungen Erwachsenen über Politik zu reden?

Es sind Herausforderungen. Man hat es mit einer sehr heterogenen Gruppe zu tun – die einen wissen schon sehr viel, die anderen eher weniger. Ich versuche grundlegend anzufangen und auch Begriffe zu erklären. Mir ist aufgefallen, dass wenn ich davon spreche, dass Gesetze verabschiedet worden sind, viele Jugendliche nichts damit anfangen können und erwidern, dass das Gesetz doch in Kraft getreten ist und fragen, warum es dann verabschiedet worden ist.

Und dann kämpft man auch in Zeiten der Krisen mit Internetseiten, die „coole Theorien“ verbreiten, welche für Jugendliche interessant wirken, weil sie ein sehr einfaches Weltbild zeichnen, die aber nicht unbedingt förderlich für den Diskurs sind. Da muss man dann aufpassen, dass ihnen erklärt wird, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt.

Würdest Du die Aussage bestätigen, dass Jugendliche anfälliger für rechte Parolen und Verschwörungstheorien werden?

Ich kann es teilweise bestätigen. Es ist generell so, dass junge Menschen nach Orientierung suchen und wenn ihnen gesagt wird, dass beispielsweise Amerika an der Krise schuld ist, das glauben sie es gerne, weil es eine einfache Erklärung ist. Die Welt ist aber viel komplexer und auch wenn sie sich ein einfaches Weltbild suchen wollen, dann muss man ihnen erklären, dass es nicht so ist. In Zeiten des Internets ist es viel einfacher, von so etwas angefixt zu werden.

Spiegelt sich das auch in Deinen Kommentaren wider?

Nicht generell. Es ist so, dass der Großteil meiner Zuschauer und auch der Jugendlichen insgesamt dahinter kommt, dass das, was man da liest, nicht der Wahrheit entspricht. In bestimmten Themen erschrecke ich aber immer wieder, was junge Erwachsene für Meinungen haben. Dann ist es aber so, dass diese Meinungen oft von Eltern kommen, wenn sie zu Hause hören, dass beispielsweise die Asylsuchenden für alles verantwortlich sind und das nehmen die Kinder dann auf. Es gibt in bestimmten Themen, wie die Flüchtlinge, die Ukraine, Ernährung und Religion, die extreme Meinungen zeigen.

Wie kannst Du es Dir erklären, dass junge Menschen, die tagtäglich in die Schule gehen, Geschichts- und Gesellschaftsunterricht haben, derart große Defizite im Empathievermögen auf Asylsuchende vorweisen?

Das Flüchtlingsthema ist da noch besonders. Viele haben eine große Unsicherheit und die Politik schafft es nicht, da richtig aufzuklären. Das andere ist, dass es falsch ist, mit Hass und Ablehnung dagegen vorzugehen. Und ein Großteil davon kommt nun mal von den Eltern. Es ist dann meist so, dass es von Regionen kommt, in denen wenig Ausländer zu finden sind.

Dann ist es aber so, dass auch viele Lehrer teilweise – besonders im Flüchtlingsthema – Dinge verbreiten, die eines Lehrers nicht angemessen sind. Da bekomme ich immer wieder Mails von Leuten, die sagen, dass ihr Lehrer sagt, dass alle Flüchtlinge Terroristen sind.

Was wäre das angemessene Medium, um diese Inhalte zu vermitteln?

Ich würde sagen, dass die Schule die wichtigste Institution für so etwas ist. Da muss gerade von den Lehrern mehr kommen und auch von staatlicher Seite muss das Angebot für Fortbildungen erweitert werden.

Dann müssten die Leute auch mal zusammenkommen, um zu sehen, dass die Flüchtlinge Menschen wie Du und ich sind. So können sie erzählen, was ihnen passiert ist und dann ist das Verständnis auch größer.

Außerdem ist auch YouTube sehr wichtig. Jugendliche verbringen sehr viel Zeit dort und dann ist es auch wichtig, dass auch dort aufgeklärt wird. Ich versuche die Leute dort zu erreichen.

Aber auch Vorbilder – wie Mario Götze – sind hier sehr wichtig. Viele Jugendliche blicken auf Vorbilder, die in der Verantwortung stehen, ihren Einfluss für derartiges zu nutzen.

Diesbezüglich bin ich von vielen YouTuber enttäuscht, die meinen, dass wenn sie eine Frankreichfahne als Profilbild nutzen, ihre Pflicht erledigt zu haben. Sie haben Angst, dass wenn sie sich positionieren, Abonnenten verlieren.

Sind Jugendliche überhaupt an politische Themen interessiert? Parteien, NGO etc.?

Ich würde Parteipolitik nicht als Indikator nehmen, um politische Partizipation zu messen. Es ist vielleicht auch nicht mehr zeitgemäß, in die CDU einzutreten. Wenn sich Jugendliche engagieren wollen, dann gehen sie zum Bahnhof und helfen dort Flüchtlinge oder unterschreiben eine Petition auf change.org und stimmen gegen TTIP.

Es stimmt zwar, dass Jugendliche eher nicht wählen, aber das liegt daran, dass sie sich nicht verstanden fühlen. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich nicht für politische Themen interessieren; die Art und Weise, wie sie sich partizipieren, hat sich geändert.

Du hast eben Wahlen angesprochen: 2013 hast Du Werbung für die Bundestagswahl gemacht. Glaubst Du, dass Du junge Menschen zur Wahl animieren konntest?

Ja, ich bin davon überzeugt, dass wenn junge Leute wissen, wofür Parteien stehen, sie eher bereit sind, zu wählen. Wenn in den Schulen nicht darüber gesprochen wird, was das Wahlprogramm der einzelnen Parteien ist, dann ist doch klar, dass junge Menschen sich scheuen.

Politik wird aber auch mit etwas Altem assoziiert und dann – unabhängig davon, was ich von ihm halte – hat ein Karl Theodor von Guttenberg der Politik unglaublich gut getan, weil er war, der anders war. Auch Gregor Gysi schafft es, junge Leute für Politik zu animieren.

Nicht ohne Grund hatte die SPD zur Zeit Brandts großen Anlauf – er war ein Vorbild mit klaren Zielen. Das ist es, was vielen heute fehlt.

Was müsste geschehen, damit sich das ändert?

Wenn ich das wüsste *lacht* Es muss aufgeklärt werden. Es kann nicht sein, dass viele Jugendliche nicht wissen, wen oder was sie wählen.

Vervollständige bitte den Satz „Wenn ich Bundeskanzler wäre, dann würde ich…“.

….den Weltfrieden herbeiführen. Ich würde versuchen Politik verstehbar und greifbar zu machen. Jeder sollte miteinbezogen werden, unabhängig von der gesellschaftlichen Schicht. Und ich würde mehr schlafen als Angela Merkel – sie schläft nur vier Stunden.

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