„ The unions agree: Sacrifices must be made / Computers never go on strike […] Looks like we’ll have to let you go / doesn’t it feel fulfilling to know / that you – the human being – are now obsolete / and there’s nothing in hell we let you do about it?”
The Dead Kennedys, “Soup is good food”
Dass die “Griechenlandrettung” in Wahrheit eine angekündigte Katastrophe für Griechenland war, ist hinlänglich bekannt. Wenn es in der Politik darum geht, die neoliberale Rettungspolitik trotzdem zu rechtfertigen, wird gerne auf das Beispiel Portugal verwiesen. Die Portugiesen, so der Tenor (nachzulesen beispielsweise hier und hier), haben sich den Reformen der EU im Gegensatz zu Griechenland willig unterzogen, weshalb es mit ihnen wieder bergauf geht. Zwar hat man vor gerade mal einem Jahr die Griechen noch für ihre Reformwilligkeit gelobt (hier oder hier), aber unsere „Wirtschaftsexperten“ wechseln ihre Meinung manchmal noch schneller als Angela Merkel. Kaum war Alexis Tsipras an der Macht, hatten die faulen Griechen plötzlich nie irgendwelche Reformen umgesetzt. (zum Beispiel hier, hier, hier oder hier) Die griechischen Staatsschulden sind in Relation zum BIP sogar noch höher geworden als zu Beginn der Krise.
Wer hier auf Portugal als positives Beispiel verweisen möchte, greift allerdings kräftig daneben. Die Staatsverschuldung des vermeintlichen Musterschülers ist seit 2011 sogar noch stärker angewachsen als die Griechenlands (von 111,1% auf 126, 4% gegenüber 171% auf 172,4%) Die soziale Situation in den beiden Krisenländern ist vergleichbar prekär. Manche allerdings haben ihre Chance genutzt, das beste für sich aus der Krise herauszuholen. Die Rede ist hier von deutschen Konzernen, die die „Reformen“ für sich nutzen konnten – auf Kosten der Bewohner der betroffenen Länder und mit der Hilfe der deutschen Politik.
Beispielsweise sollen 14 griechische Regionalflughäfen, bislang Staatsbetriebe, an die deutsche Firma Fraport (die unter anderem den Frankfurter Flughafen betreibt) verpachtet werden. Hinter der Privatisierung von Staatsunternehmen steht nicht nur der Gedanke, dass der Staat damit kurzfristige Finanzengpässe überbrücken kann, sondern auch der, dass Privatunernehmer einfach besser darin sind, Unternehmen zu führen. Darum, so eine neoliberale Binsenweisheit, sei ja auch die DDR gescheitert, weil die Sozialisten die verstaatlichten Betriebe zu Grunde gewirtschaftet hätten. Wenn wir allerdings annehmen wollen, die Privatisierung der griechischen Flughäfen erfolge wirklich mit dem Ziel, einerseits die Flughäfen zu modernisieren und andererseits dem griechischen Staat finanziell zu helfen, erscheint es relativ unlogisch, dass ausgerechnet die profitabelsten Flugplätze privatisiert werden. Hätten die anderen die Segnungen der Privatisierung nicht viel nötiger? „In 40 Jahren [so lange sollen die Flugplätze Fraport gehören, Anm. d. Autors] können wir mit diesen Flughäfen 16 Milliarden verdienen, aber wir verkaufen sie für 2 bis 3 Milliarden“, empört sich der Chef der griechischen Gewerkschaft der Flughafenangestellten.
Dieser Gewinn wird nun an Fraport fallen. Abzüglich der (laut „Tagesspiegel“) 1,234 Milliarden Euro Kaufpreis, der versprochenen 1,4 Milliarden Euro an Investitionen, jährlichen Pachtgebühren in Höhe von 23 Millionen Euro und einer Beteiligung der griechischen Regierung in Höhe von 28, 5% am Gewinn bleibt dem Unternehmen ein satter Gewinn von 7,8 Milliarden. Geld, das in Griechenland dringend benötigt würde, zumal die Flughäfen, die keine Gewinne abwerfen oder gar Verlust machen, ja weiterhin Staatsbesitz bleiben sollen. Unter der Annahme, Deutschland betreibe tatsächlich eine „Griechenlandrettung“, erscheinen diese Maßnahmen ohne Sinn; wenn man hingegen weiß, dass die Lufthansa, die Miteigentümerin von Fraport ist, den griechischen Privatisierungsfond berät, ahnt man, wie diese Maßnahme es ins Memorandum of Understanding geschafft hat. 51% von Fraport gehören dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt am Main. Die Bezeichnung von Griechenland als Milliardengrab ist in diesem Sinne falsch. „Quelle von Milliardengewinnen“ trifft weitaus eher zu.
Solche Chancen ließen sich auch VW, Bosch und Lidl (Firmensitze in Deutschland) nicht entgehen. Sie nutzten die von der EU verordneten Lockerungen des Arbeitsrechtes, um die Löhne massiv zu senken und die Arbeiter in ausbeuterische Verträge zu zwingen. Wer sich im Betriebsrat oder einer Gewerkschaft engagiert, auf den übt die Konzernleitung Druck aus, klagen Arbeiter im Interview mit dem WDR. (siehe hier) Ein Autobauer im portugiesischen VW-Werk bekommt nur ein Viertel des Gehalts, das in Deutschland üblich ist. Wenn er überhaupt einen festen Job hat, denn viele Arbeiten werden outgesourct, sodass dafür noch weniger gezahlt werden muss. Der Mindestlohn für eine Vollzeitstelle liegt bei gerade einmal 505 Euro im Monat – Leih- und Zeitarbeiter, von denen es immer mehr gibt, müssen von noch weniger leben. Auch wenn die Lebenshaltungskosten in Portugal um 25% niedriger als in Deutschland sind, ist diese geringe Entlohnung nur als erbärmlich zu bezeichnen.
Warum lassen die Menschen das mit sich machen? Sie haben einfach keine Wahl. Bei einer Arbeitslosenquote von 12,5% wird sich immer jemand finden, der bereit ist, jede noch so harte Arbeit für jeden noch so jämmerlichen Lohn zu erledigen. Den deutschen Großkonzernen konnte gar nichts besseres passieren als der wirtschaftliche Abstieg Portugals und die von der konservativen Regierung sklavisch exekutierten EU-Reformen. Was vorgeblich dem Land wieder auf die Beine helfen sollte, hat ganze Bevölkerungsschichten ins Elend gestürzt – zugunsten einiger Großkonzerne und nicht zu vergessen des deutschen Staates, der sich dank gesunkener Löhne und dadurch höherer Gewinne über mehr Einnahmen aus Unternehmenssteuern freuen darf. Ein weiterer „positiver“ Effekt: Da südeuropäische Staatsanleihen als sehr unsichere Geldanlage gelten, ist die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen gestiegen, für die jetzt kaum noch Zinsen fällig werden. Ohne die 80 Milliarden Euro, die Deutschland während der Krise auf diese Weise eingespart hat, könnte Wolfgang Schäuble von seiner „Schwarzen Null“ nur träumen. Aber so kann er sich mit einem „ausgeglichenen Haushalt“ rühmen. Dafür bezahlt haben andere – im Falle Griechenlands (Säuglingssterblichkeit um 43% erhöht) auch mal mit ihrem Leben.