
Liebes Audiolith-Team, danke dass Ihr Euch Zeit nehmt, uns ein paar Fragen zu beantworten.
Unter den deutschen Plattenlabels nehmt Ihr eine Art Sonderstellung ein: Euch geht es nicht nur darum, Platten und Merchandise zu verkaufen, Ihr sendet auch ganz klare politische Botschaften ins Land hinaus. Inwiefern seht Ihr Euch als „Kulturvertreibende“ in der Pflicht, Euch in die gesellschaftliche Debatte einzumischen?
Audiolith: Zu aller Erst hat man ja eine ganz andere Pflicht als Kulturvertreibender, nämlich die gleiche wie jeder andere Depp in diesem System und zwar Kohle ranzuschaffen und damit über die Runden zu kommen. Umsonst gibt’s ja leider nix. Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, ist Kultur nicht gerade der Teil der Gesellschaft wo das dicke Geld umgesetzt wird und die meisten Künstlerinnen und Künstler, aber auch die Leute in den Labels und Agenturen, arbeiten oft viel zu viel für viel zu wenig Geld. Wenn man nebenbei vielleicht noch eine Familie hat, Kinder großzieht oder einfach mal krank wird, bleibt bei präkeren Arbeitsverhältnissen nicht mehr so viel Zeit sich mit irgendwelchen Debatten zu beschäftigen.
Ich glaube das vergessen oft Leute die studieren, reiche Eltern haben oder hauptberuflich Politik machen. Das soll jetzt nicht nach jammern klingen, aber am Ende des Monats müssen wir Gehälter bezahlen, Krankenversicherung, Mieten und so weiter. Klar kann man fordern, beschäftigt euch mehr mit der Gesellschaft aber das ist oft leichter gesagt als getan. Es ist ein großes Privileg das zu machen was man liebt und davon leben zu können. Wir sind sehr dankbar dafür, dass viele Leute unsere Musik hören, Platten kaufen und auf Konzerte gehen. Ohne diese Menschen wären wir gar nicht in der Position uns solche Fragen stellen zu können.
Wir sind politische Menschen und schon seit unserer Jugend haben wir mit der Polizei zu tun gehabt – also Politikunterricht auf der Straße genossen aber auch hier und da Sachen aufgeschnappt. Außerdem kommen wir aus der Subkultur und fühlen uns der natürlich immer noch verbunden. Das spiegelt sich bei Audiolith wieder. Wir sind nun mal eine kleine, sehr persönliche Firma . Es ist notwendig das man in seinem begrenzten Radius versucht etwas zu verändern. Egal ob man jetzt Kultur macht oder was anderes. Wir versuchen mit guten Leuten gute Sachen aufzubauen. Es gibt viele Menschen und Gruppen die sich sinnvoll engagieren – es ist gar nicht so schwer sich einzubringen wie man denkt! Man muss er nur wollen.
Mit Künstlern und Bands wie Feine Sahne Fischfilet, Waving the Guns, Frittenbude und natürlich Neonschwarz habt Ihr eine Vielzahl an sehr politischen Bands im Repertoire. Wie wichtig ist Euch als Label das gesellschaftliche Engagement der Bands?
Audiolith: Ehrlich gesagt haben wir uns diese Frage nie wirklich gestellt. Wir haben keine 10 Punkte Plan nach dem wir Bands aussuchen. Das heißt aber nicht, dass wir es uns nicht genau überlegen mit wem wir arbeiten wollen und mit wem nicht. Wir sind unabhängig. Wir wollen nicht mit Arschlöchern arbeiten oder unsere Zeit und unsere Kraft für Leute opfern, die wir nicht geil finden.
Das Bemerkenswerte ist doch aber, dass wir immer als DAS Polit-Label wahrgenommen werden nur weil bei uns ein paar Bands sind, die nicht nur über Liebeskummer und Fun Fun Fun singen, sondern auch mal eine politische Meinung formulieren können, die über so Kirchentags-Jargon hinausgeht. Das ist dann sofort auffällig in einer Pop Landschaft, wo jeder nur belangloses Zeug von sich gibt und ansonsten halt versucht so viele Platten wie möglich an die Zielgruppe zu verticken.
Mit Johnny Mauser und Captain habt Ihr auch zwei Musiker im Programm, deren Song „Flora bleibt“ wegen Aufforderung zu Gewalt und Selbstjustiz indiziert wurde. Wie geht Ihr als Label mit solchen Lyrics um? Steht Ihr diesbezüglich hinter den Musikern?
Audiolith: „Räumt die Flora, wenn ihr wollt, das die Stadt brennt.“ ist doch keine Aufforderung zur Gewalt. Das ist eine sehr realistische Analyse von Ursache und Wirkung in der Stadtpolitik. Da wird sonst viel Geld ausgegeben, das Institute zu sowas forschen. Hier haben das interessierte Künstler for free geliefert. Das ist doch ausgesprochen nett. Das Lied sollte nicht auf dem Index stehen, sondern im Gegenteil zu Bildungszwecken laut beim Innensenator im Büro laufen.
Feine Sahne Fischfilet waren bekanntlich Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutzes in der Rubrik Linksextremismus. Empfindet Ihr solche Einstufungen Eurer Bands als eine Art „Auszeichnung“ und kostenlose Werbung oder macht man sich intern schon Gedanken, wie man damit umgeht ins Visier des Verfassungsschutzes geraten zu sein?
Audiolith: Das wird ja nur in einer kleinen Blase als Auszeichnung oder Werbung gesehen. Klar ist diese Blase
für die Band und uns wichtig, weil das genau die Fans und die Musikpresse ist. Aber wenn das Thema kurz außerhalb dieser Blase aufploppt wie zum Beispiel im August als Heiko Maas die Aktion von Feine Sahne Fischfilet in Anklam auf Twitter gelobt hat und deswegen wirklich alle komplett durchgedreht sind, von AfD, CSU bis Bild und Süddeutsche, merkt man deutlich, dass man sich die meiste Zeit in einer sehr komfortablen Zone dieser Gesellschaft bewegt und es drumherum viele üble Zeitgenossen gibt, die trotz oder gerade wegen ihrer Dummheit und Ignoranz aber ganz schön viel zu sagen haben.
Ein großer Skandal ist natürlich, dass das Amt für Verfassungsschutz von diesen Zeitgenossen immer noch als irgendwie neutrale Instanz angesehen wird nach den ganzen Enthüllungen im Zusammenhang mit dem NSU. Das können nur Leute, die kein Mitgefühl mit den Opfern der Mordserie haben. Gedanken machen wir uns eher darüber was noch alles rauskommen muss bis endlich irgendwo Konsequenzen gezogen werden. Solange da nicht passiert, ist es nicht verwunderlich, dass Antifaschisten ins Visier dieser Behörde geraten. Es ist aber sicher keine Auszeichnung, sondern sehr besorgniserregend angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks.
Die Werbung nimmt aber natürlich trotzdem mit – was soll man den auch sonst machen?
So böse und hinterhältig die Beamten in den Behörden auch sein mögen, ihre Kinder hören dann ja doch wieder Feine Sahne Fischfilet und kommen zum Konzert.
Ihr hattet kürzlich ein unfassbares Angebot online: Kundinnen und Kunden konnte für 25€ all Eure 250 Veröffentlichungen (über 1600 Songs) als Download kaufen. Was hat es mit dieser Aktion auf sich?
Audiolith: Es war mehr oder weniger eine Schnapsidee. Wir wollten im Zuge unsere 250ten Veröffentlichung
(Audiolith – Doin‘ Our Thing #4 3CD) irgendetwas Irres raus hauen. So haben wir einfach mal gezählt wie viele Songs Audiolith veröffentlicht hat und was wir damit machen können bzw. gutes tun können. Manchmal sind die irren Ideen die Besten, ob sie funktionieren ist schwer abzuschätzen.
Manchmal ist es auch egal, wenn eine irre Idee nicht funktioniert. In diesem Falle sind wir wirklich
sehr glücklich, dass es so gut funktioniert hat. Es sind jetzt 20k Euro zusammengekommen und eine Menge Leute haben unseren ganzen Katalog bekommen und freuen sich.
Das Geld haben wir gespendet für die Mobile Klinik Syrien und die freuen sich auch. Also WinWin sozusagen, klingt zwar doof, aber mit dem Geld wird unser Meinung nach wirklich geholfen. Auf http://mobile-hospital.org findet ihr alle aktuellen Informationen zu diesem Projekt. Es werden weiterhin Kosten entstehen und somit wird weiterhin Geld benötigt. Jede Spende hilft die Mobile Klinik für Syrien auf die Straße zu bringen und vor Ort am Laufen zu halten. Des Weiteren könnt ihr euch gerne an dem Aktionstag der Hamburg Musikclubs am 03.12. in Hamburg und republikweit beteiligen. Alle Informationen sind hier zu finden: https://www.facebook.com/events/346156395776253/ Also teilt es. Dieses Anliegen wird noch lange Geld benötigen und ist unabhängig von unser Aktion zu unterstützen.
Daran anknüpfend: Ursprünglich sollte die Aktion bis Anfang Dezember laufen. Ist damit zu rechnen, dass das Paket nochmal online geht?
Audiolith: Die Aktion war jetzt nicht bis ins letzte durchgeplant. Wir hatten sowas vorher noch nie gemacht – einen so fette Datenmenge einfach zum runterladen angeboten. Wir hätten auch nicht gedacht, dass sich so viele Leute so schnell beteiligen. Das ist wirklich sehr sehr erfreulich. Wir müssen aber alle Bestellungen ordentlich abwickeln. Das wird jetzt etwas dauern.
Wir wollen erstmal, dass alle die bestellt haben, ihr Paket bekommen. Das geht leider immer nur
Stück für Stück, weil zu viele Downloads gleichzeitig unseren Server überlasten. Dann wollen wir erstmal den Betrag, der reingekommen ist, so schnell es geht an die mobilen Hospitale spenden,
damit die gleich mit dem Geld arbeiten können. Danach checken wir, wie wir das vielleicht noch mal weiter machen können ohne das irgendwelche Server zusammen brechen und die Leute uns die Bude einrennen, weil sie ihr gekauftes Produkt nicht sofort bekommen. Wir sind nicht Amazon sondern ein Independent Musiklabel aber wir sind sicher, dass wir eine gute Lösung finden. Grundsätzlich sind wir sehr begeistert davon wie viele Leute mitgemacht haben und wollen, das natürlich so schnell es geht wiederholen. Jeder der spenden will, sollte das aber trotzdem tun und zwar direkt an CADUS http://www.cadus.org/de/
Und zuletzt – das ist gängige Tradition bei uns – vervollständigt bitte den Satz: „Wenn ich Bundeskanzler_In wäre, würde ich […].“
Audiolith: verfügen, dass in Stotternheim in Thüringen, dem Geburtsort von Otze, dem verstorbenen Sänger von Schleim Keim, eine Straße nach ihm benannt wird.
Vielen Dank, dass Ihr euch die Zeit genommen habt!