Trump: Estland ein Vorort von Moskau?

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„Estland will gut mit Trump zusammenarbeiten“ lautete am Tage der Vereidigung des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, eine Meldung der dpa.

Kersti Kaljulaid, Präsidentin des 1,3 Millionen Einwohner Staates im nördlichen Baltikum, schrieb: „Wir freuen uns darauf, unsere engen bilateralen in vielen Schlüsselbereichen weiterzuentwickeln, einschließlich Verteidigung und Cyber-Sicherheit.“ Man sehe die USA als „standhaften NATO-Verbündeten“.

Besonders hob Kaljulaid hervor, dass Estland eines von nur fünf NATO-Staaten sei, die bei ihren Verteidigungsausgaben den Zielwert von zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes erreichten. „Wir ermutigen andere Verbündete nachdrücklich, das Gleiche zu tun.“, klingt Kaljulaid schon fast besorgt an die anderen NATO-Staaten appellierend.

Und diese Sorgen und Ängste, was eine Präsidentschaft von Donald Trump nach für das Baltikum nach sich zieht, sind in allen drei baltischen Staaten spürbar. Estland, Lettland und Litauen erlangten 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Union durch eine friedliche Revolution aus der Bevölkerung hervorgehend [Stichwort: Die singende Revolution] ihre Unabhängigkeit zurück.

Unter den Eindrücken der jahrzehntelangen Besetzung durch die Sowjets suchte man von Anfang an den Schulterschluss mit Brüssel, aber vor allem mit Washington. Alle drei Staaten sind seit 2004 Mitglieder der EU, ebenso der NATO und gehören seit wenigen Jahren zum Euro-Raum.

Trumps Ankündigungen Mittel, Ressourcen und Engagement für die NATO zurückzufahren und somit im Zweifel die kleinen baltischen Staaten an der Grenze zum „Systemfeind“ Russland mit ihrer Verteidigung alleine zu lassen, schafft Unsicherheiten. Eine mögliche Männerfreundschaft oder ein Schulterschluss mit Putin trüge zu dieser Unsicherheit als Verstärker bei.

Kosten-Nutzen-Rechnung: Baltikum sicherheitspolitisch abschieben? 

Der Politologe Andreas Kasekamp von der Universität Tartu warnte bereits kurz nach Trumps Wahl im November vor dessen unternehmerischer Denkweise: «Das ist etwas, was Wladimir Putin möchte: einen Führer, der nicht an Werten festhält und bereit ist, Einflusssphären aufzuteilen.»

Im Baltikum macht man sich angesichts Trumps Ankündigungen und Putins Umgang mit der Ost-Ukraine selbstverständlich Sorgen darum, bald abermals zum Spielball von Großmächten werden zu können.

Denn: Würde die NATO die militärische Konfrontation suchen, um einen der kleinen, für das Bündnis nahezu unbedeutenden Zwergstaaten im Baltikum zu verteidigen? Sicherlich ein sehr unwahrscheinliches Szenario, aber ganz auszuschließen ist es nicht, leben doch in den östlichen Gebieten aller drei Staaten eine Vielzahl nicht integrierter ethnischer Russen.

In der drittgrößten Stadt Estlands, Narva, das direkt an der russischen Grenze liegt, beträgt der Anteil der russischstämmigen Bevölkerung beispielsweise bei rund 95%.

Die Huffington Post veröffentlichte dazu folgendes Szenario, dem die Frage entspringt: Wie ernstgemeint sind die Sicherheitsversprechen die internationale Bündnisse ihren kleinsten Mitgliedern machen?

Insofern kann man Kaljulaids Mitteilung an Trump als sehr optimistischen Versuch werten, ihn zum rationalen politischen Denken zu animieren. Aber ob Trump überhaupt weiß, wer oder was Estland ist, darf angezweifelt werden. Eventuell ein Vorort von Moskau? So wie Belgien eine schöne Stadt ist?

Es bleibt spannend.

 

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