C. Vandreier: "Linksextremismus ist ein Kampfbegriff der Rechten, um fortschrittliche Positionen zu diskreditieren."

 

 

Christoph Vandreier, der stellvertretende Parteivorsitzende der PSG - der Partei für Soziale Gleichheit stand uns kurz vor der Europawahl für ein exklusives Interview zur Verfügung. 

 

 

» Nach Ihren Aussagen vertreten die "pseudolinken Parteien" (Linke und SPD) nur die bürgerliche Mittelschicht und nicht den "Arbeiter". Sehen Sie diesen Stereotyp überhaupt noch in der heutigen Gesellschaft?

 

Christoph Vandreier: Die Klassenspaltung der Gesellschaft war noch nie so tief wie heute. Die reichsten 85 Individuen der Welt haben das gleiche Vermögen angehäuft, wie die 3,5 Milliarden ärmsten! Die soziale Ungleichheit ist das bestimmende Moment der gesellschaftlichen Entwicklung. Diejenigen, die die Produktionsmittel besitzen mehren ihren Reichtum auf Kosten derer, die für sie arbeiten müssen. Das ist der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit, wie ihn Marx herausgearbeitet hat und der heute angesichts der Finanzkrise höchste Aktualität besitzt.

 

Die Mittelschichten werden zwischen Arbeitern und Kapitalisten zusehends aufgerieben. Gerade ihre wohlhabenden Teile gehen mit der Krise des Kapitalismus immer weiter nach rechts. Das ist an SPD und Linkspartei sehr deutlich zu erkennen. Die SPD hat die Bundeswehr wieder in brutale Angriffskriege geführt und mit der Agenda 2010 die heftigsten Sozialkürzungen seit Bestehen der BRD durchgesetzt.

 

Auch die Linkspartei setzt überall, wo sie an der Regierung beteiligt ist, krasse Sozialkürzungen durch. Auf die NATO-Aggression gegen Russland reagierte die Linkspartei eindeutig: erstmalig in ihrer Geschichte stimmten Abgeordnete der Partei im April einem Auslandseinsatz der Bundeswehr in Syrien zu.

 

Die PSG formuliert demgegenüber die sozialen Interessen der Arbeiter. Sie tritt für eine internationale und sozialistische Bewegung von unten ein, die sich zum Ziel setzt, die Banken und Konzerne zu enteignen und unter demokratische Kontrolle zu stellen.

 

 

» Die PSG hat 2005 eine Unterstützung des Wählerbündnisses aus WASG und PDS abgelehnt. Ist eine langfristige Unterstützung anderer Linker Kräfte  bzw deren Bündelung nicht sinnvoller als eine „Revolution“?

 

Christoph Vandreier: Von welchen „Linken Kräften“ sprecht ihr? Die Linkspartei und ihre Vorläuferorganisationen haben zu keinem Zeitpunkt eine Politik im Interesse der arbeitenden Bevölkerung gemacht.

 

Die erste rot-rote Koalition in Mecklenburg-Vorpommern (1998 – 2006) und der rot-rote Senat in Berlin (2002 – 2011) waren von massiven Sozialangriffen geprägt. Im Bündnis mit der SPD setzte die PDS und später die Linke die rechte Politik der CDU fort und ging vor den Banken und Wirtschaftsverbänden in die Knie. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit in Berlin sicherten sie eine Kapitalerhöhung der Berliner Bankgesellschaft von 1,75 Milliarden Euro ab. Ein Jahr später folgte das „Risikoabschirmungs-Gesetz“, auf dessen Grundlage jährlich 300 Millionen Euro für die Bankgesellschaft bereitgestellt werden, um die lukrativen Finanzanlagen der Berliner Schickeria abzusichern.

Um diese Geschenke für die Reichen und Superreichen zu finanzieren, wurde eine lange Liste sozialer Grausamkeiten durchgesetzt. Sie umfasste Massenentlassungen und zwölf prozentige Lohnsenkung im öffentlichen Dienst, Kürzungen der Gelder für Schulen und Universitäten, Verkauf von Sozialwohnungen an Miethaie und die schrittweise Privatisierung staatlicher Einrichtungen auf Kosten der Beschäftigten und der Bevölkerung.

Diese unsoziale Politik stieß auf massiven Widerstand, der sich im Stimmenrückgang für SPD und Linkspartei ausdrückt. Bei den Wahlen 2001 hatte die PDS noch 22,6 Prozent erhalten. Nach zehn Regierungsjahren hat sich ihr Stimmenanteil halbiert.

 

Die PSG steht in scharfem Gegensatz zu dieser rechten Politik. Unsere Perspektive ist jener der WASG-PDS bzw. der Linkspartei diametral entgegengesetzt. Wir treten für eine unabhängige und sozialistische Bewegung der Arbeiter ein.

 

Die Kräfte, die sich zur Linkspartei zusammengeschlossen haben, stehen für die alten Bürokratien, die die Arbeiter jahrzehntelang unterdrückt haben und heute Sozialabbau und Krieg organisieren. Die Linkspartei ist im Westen aus der Gewerkschaftsbürokratie und im Osten aus den Resten des stalinistischen Regimes hervorgegangen. Sie war von Anfang an eine prokapitalistische Partei, die nur Verachtung für die Rechte der Arbeiter übrig hatte.

 

Die Forderung nach „Einheit der Linken“ ist die Parole aller Opportunisten, die die rechte Politik der Linkspartei unterstützen und sich im finanziell gut ausgestatteten Apparat der Linkspartei einnisten wollen.

 

Wir kämpfen für die internationale Einheit der Arbeiter. Als deutsche Sektion der Vierten Internationale arbeiten wir eng mit unseren Schwesterparteien in vielen Ländern zusammen. Wir unterstützen die sozialen Kämpfe der Arbeiter und kämpfen darin für eine sozialistische Perspektive.

 

 

» In einem Werbespot der PSG hieß es, dass Deutschland sich wieder bereit mache und erneut einen Krieg vorbereite. Sind das nicht etwas harte Worte an Frau Merkel oder meinen Sie das genau so?

 

Christoph Vandreier: Das beschreibt den außenpolitischen Schwenk der neuen Bundesregierung ziemlich exakt. Anfang des Jahres erklärten Gauck, Steinmeier und von der Leyen fast wortgleich das „Ende der militärischen Zurückhaltung“. Seither wurde die Bundeswehr in neue Einsätze nach Afrika entsandt und wurde vor allem die Krise in der Ukraine provoziert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem in der Presse nicht für Aufrüstung und Militarismus getrommelt wird.

 

Auf der World Socialist Web Site haben wir detailliert nachgewiesen, wie diese Politik in den verschiedenen think tanks ausgearbeitet und dann generalstabmäßig durchgesetzt wurde. Daran waren nicht nur Vertreter aller wichtigen Medien, sondern auch sämtlicher im Bundestag vertretenen Parteien beteiligt. Eine zentrale Rolle spielte etwa Stefan Liebich von der Linkspartei.

 

Wir sollten uns nichts vormachen: was hier aufbricht sind die grundlegenden Widersprüche des 20. Jahrhunderts, die bereits zu zwei Weltkriegen geführt haben. Der deutsche Militarismus orientiert sich wieder gen Osten. Wenn sich die Arbeiter dem nicht entgegenstellen, ist ein Krieg unvermeidlich.

 

 

» Sie nennen alle Parteien - von Linkspartei bis CSU "bürgerliche Einheitspartei". Wie sieht ihre Zusammenarbeit bzw das Verhältnis zu/mit der DKP oder der MLPD aus?

 

Die PSG steht für die sozialistischen Prinzipien von Arbeiterdemokratie und Internationalismus und lehnt den Stalinismus von DKP und MLPD entschieden ab. Die stalinistischen Bürokraten in der DDR und der Sowjetunion hatten mit Sozialismus nichts zu tun. Sie verteidigten ihre privilegierte Position, schürten Nationalismus und unterdrückten jede unabhängige Regung der Arbeiter. Stalin war ein brutaler Diktator und hat mehr Kommunisten umgebracht als Hitler.

 

DKP und MLPD sind die jämmerlichen Überreste der stalinistischen Bürokratien. Heute verteidigen sie die Gewerkschaften und kreisen um die Linkspartei. Die Vierte Internationale kämpft seit 75 Jahren gegen den Stalinismus und für eine unabhängige Bewegung der Arbeiter.

 

 

» Die PSG erhielt zur Bundestagswahl insgesamt rund 4500 Zweitstimmen. Nur die Partei „DIE RECHTE“ konnte weniger Zweitstimmen verbuchen. Wie schafft man es, sich für Wahlkämpfe zu motivieren, wenn absehbar ist, dass man max. im Bereich von 0,1% landet?

 

Christoph Vandreier: Die Stärke der PSG misst sich an ihren politischen Prinzipien, die heute von größter Bedeutung sind. Auf der World Socialist Web Site, die in über 20 Sprachen erscheint und die meist gelesene sozialistische Publikation im Internet ist, analysieren wir jeden Tag die politischen Ereignisse und entwickeln die revolutionäre Perspektive für die Kämpfe der Arbeiter auf der ganzen Welt.

 

 

» Aktuell beschäftigt uns alle natürlich die Situation in der Ukraine. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage, und wie könnte man deeskalierend einwirken? Wie bewerten Sie das Krisenmanagement der Bundesregierung?

 

Christoph Vandreier: Krisenmanagement der Bundesregierung ist gut. Die Bundesregierung hat die Krise in der Ukraine bewusst provoziert und den Putsch nach Kräften unterstützt. Auch jetzt eskaliert sie die Lage weiter. Das Ziel ist die Einkreisung Russlands und eine europäische Aufrüstung. In dem Konflikt sind NATO und EU eindeutig die Aggressoren. Es geht ihnen darum, die Ukraine und Russland in ein Reservoir für Rohstoffe und billige Arbeitskräfte zu verwandeln.

 

Zur Zeit erleben wir, wie der Widerstand in der ukrainischen Bevölkerung gegen das von EU und USA gesteuerte Putsch-Regime wächst. Die Regierung reagiert mit Massakern an Regime-Gegnern. Sie hat die faschistischen Milizen des Rechten Sektors in den Sicherheitsapparat integriert und terrorisiert die Bevölkerung.

 

Gleichzeitig hegen wir keine Sympathien für das Putin-Regime, das den Interessen der Oligarchen dient und die Arbeiter brutal unterdrückt. Der einzige Weg, gegen die imperialistische Aggression zu kämpfen, ist der Zusammenschluss der ukrainischen und russischen Arbeiter mit ihren westeuropäischen und amerikanischen Kollegen auf sozialistischer Grundlage.

 

 

» Zur Europawahl entfällt die Sperrklausel (3% Hürde) nun zum ersten Mal. Wie sehen Sie diese Neuerung – ein positives Signal oder wird es dadurch insbesonderen rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien ermöglicht in das Europaparlament einzuziehen?

 

Christoph Vandreier: Die Vorstellung, dass man die demokratischen Rechte einschränken müsse, um ein Erstarken der Rechtsextremisten zu verhindern, ist meines Erachtens absurd. Der Abbau von Demokratie und die Aufrüstung des Staates stärken vielmehr die rechten und reaktionären Tendenzen der Gesellschaft.

 

Die Faschisten sind deshalb stark, weil sie – wie in der Ukraine oder Griechenland – vom Staat und den Herrschenden gefördert werden, um die arbeitende Bevölkerung zu terrorisieren. Vor allem können sie derzeitig von dem Bankrott der sogenannten „Linken“ profitieren. Die Linkspartei in Deutschland, Rifondazione in Italien, die NPA oder die Parti de Gauche in Frankreich haben im Namen linker Politik einen üblen rechten Kurs durchgesetzt, Sozialabbau organisiert und Kriege unterstützt. Das stärkt die rechten Rattenfänger.

 

Ein Kampf gegen rechts ist deshalb untrennbar mit einer echten Offensive der Arbeiter verbunden. Wenn die Arbeiter mit einer sozialistischen Perspektive kämpfen, haben die Rechten keine Chance. Eine solche Bewegung benötigt aber die demokratischen Rechte wie die Luft zum atmen. Deshalb wenden wir uns auch entschieden gegen Parteienverbote und begrüßen den Fall der Prozenthürde.

 

 

» Die PSG agiert fernab des großen Medienrummels, daher die Frage, was sind Ihre persönlichen politischen Ziele? Welche Perspektiven und Chancen hat Ihre Partei in naher Zukunft?

 

Christoph Vandreier: Ich engagiere mich für die PSG, weil ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass Massenelend und Krieg nur durch eine unabhängige Bewegung der Arbeiter, durch eine sozialistische Revolution verhindert werden können.

 

Im Wahlkampf bemerken wir, dass diese Perspektive angesichts der sozialen Angriffe in Europa und vor allem der Kriegsgefahr auf wachsende Sympathie stößt. Immer mehr Menschen geraten in offenen Konflikt mit der offiziellen Politik. Wir begrüßen das. Nur ein fundamentaler Aufstand der arbeitenden Bevölkerung kann Krieg und Armut ein Ende setzen.

 

 

» Die PSG wurde 2005 vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ eingestuft, das heißt im

Klartext, dass diese Behörde die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch die PSG bedroht sieht. Wie stehen Sie zu diesem „Vorwurf“, dieser Einordnung?

 

Christoph Vandreier: „Linksextremismus“ ist ein Kampfbegriff der Rechten, um fortschrittliche Positionen zu diskreditieren. Tatsächlich ist die PSG gerade deshalb eine demokratische Partei, weil sie eine revolutionäre Partei ist. Denn das Wiedererwachen des Militarismus und die wachsende soziale Ungleichheit sind mit Demokratie unvereinbar.

 

Deshalb stehen die demokratischen Rechte überall unter Beschuss. In Griechenland werden regelmäßig streikende Arbeiter unter Kriegsrecht gestellt und hofiert der Staat die Faschisten der Chrysi Avgi. Die Bundesregierung arbeitet in der Ukraine mit den Nazi-Erben der Swoboda zusammen und die Überwachung der Bevölkerung durch die Geheimdienste nimmt auf der ganzen Welt nie dagewesene Ausmaße an.

 

Die demokratischen Rechte der Bevölkerung wurden in Deutschland immer von der Arbeiterbewegung erkämpft. Der Staat und die Herrschenden haben hingegen zutiefst undemokratische Traditionen. Die angeblich demokratische Grundordnung der BRD gilt nur so lange, wie die arbeitende Bevölkerung nicht für ihre Rechte kämpft.

 

Gerade sozialistische Positionen wurden in Deutschland schon immer kriminalisiert. Mit den Sozialistengesetzen von 1878 wurde die revolutionäre Sozialdemokratie bereits im Kaiserreich für illegal erklärt. Die Weimarer Republik begann mit den Morden an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. 1933 übergaben die Herrschenden die Macht an Hitler, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und nur elf Jahre nach der Nazi-Diktatur wurde die KPD erneut verboten. Ihre Mitglieder wurden oft von den gleichen Richtern abgeurteilt, die sie ein Jahrzehnt zuvor ins KZ geschickt hatten. Als Frankreich im Mai 1968 von einem Generalstreik erschüttert wurde, verabschiedete der Bundestag die Notstandsgesetze, die Demokratie und Grundrechte im Falle einer „Krisensituation“ außer Kraft setzen.

 

All das findet im deutschen Inlandsgeheimdienst, dem sogenannten Verfassungsschutz, seinen deutlichsten Ausdruck. Seit 1955 wurde er von alten Nazis, insbesondere Angehörigen der SA und SS, beziehungsweise des SD aufgebaut und hielt von da an enge Verbindungen zur rechtsextremen Szene. Die Kooperation mit dem NSU ist der deutlichste Ausdruck davon.

 

 

» Und zum Schluss – das ist gängige Tradition bei uns, vervollständigen Sie bitte den Satz: „Wenn ich Bundeskanzler wäre, würde ich […].“

 

Christoph Vandreier: ...Geheimdienst und Bundeswehr auflösen, Banken und Konzerne enteignen und ihr Geld für Grundeinkommen und Millionen Arbeitsplätze verwenden.

 

 

 

Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!

 

Die Fragen stellten: Tim Zborschil, Marvin H.

Veröffentlicht am: 17.05.2014

 

*Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir als Link-s.Gelenkt. etwaige Positionen und Ansichten der PSG nicht uneingeschränkt teilen - jedoch die ganze Bandbreite des linken Spektrums abbilden wollen.


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